Vier Monate. Seit vier Monaten steht unsere Welt irgendwie still und wir wissen noch immer nicht so richtig, wie sie sich irgendwann wieder wie gewohnt weiterdrehen soll – oder ob sie es überhaupt irgendwann so tut, wie sie es einmal getan hat. Wer uns bei Facebook oder Instagram folgt, der weiß es schon: Jodie ist nicht mehr bei uns. Wir mussten sie nach einer schweren Krebserkrankung gehen lassen und können immer noch nicht ganz fassen, wie schnell eigentlich alles ging. Wir haben uns sehr viel Zeit gelassen mit diesem Post. Denn es hier aufzuschreiben macht den Verlust nur noch ein weiteres Stückchen realer.

Wer selbst einen Hund hat – und vielleicht selbst sogar schon einen Vierbeiner hat gehen lassen müssen, der kann im Ansatz erahnen, wie schwer uns dieser letzte Weg gefallen ist. Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, ihr und uns noch Zeit ohne Schmerzen zu verschaffen – wir hätten sie ergriffen, ohne zu zögern. 

Es war die große Liebe von Beginn an: Jodie und Dumbo.

Es war die große Liebe von Beginn an: Jodie und Dumbo.

Jodie war nicht einfach nur ein Hund. Sie war unser Hauptgrund, diesen Blog zu starten. Sie war ein unglaublich lieber, gelassener Hund. Sie war fast siebeneinhalb Jahre unsere stetige Begleiterin, immer dabei, immer anwesend, immer im Alltag eingebunden, immer auf ein Abenteuer aus. Sie war unser kleiner Fels in der Brandung. Sie war immer da, sie hat sich immer gefreut bei uns zu sein – ob es ein guter Tag war oder nicht.

Egal, wo wir hinkamen, egal, wen wir kennengelernt haben: Unsere Bernerdame hat so gut wie jeden um die Pfote gewickelt mit ihrer unkomplizierten Art, ihrem fröhlichen Gemüt und ihrem lieben Wesen. Sie hat es verstanden sogar Menschen für sich zu gewinnen, die wenig mit Hunden am Hut hatten. 

Und sie war unser Glück auf vier Pfoten.

Für manchen mag das unglaublich klingen, aber wir haben ein Jahr auf Jodies Geburt gewartet. Als wir dann am 29. April 2011 die Nachricht bekamen, dass ihre Mama neun Welpen zur Welt gebracht hat, da war unsere Freude riesig. Sieben Hündinnen gab es im Wurf – und Jodie war eine davon. Niemals werden wir den 6. Mai 2011 vergessen. Es war der Tag, an wir dieses kleine Meerschweinchen mit dem orangefarbenen Halsband, das mal eine große Hundedame werden sollte, zum ersten Mal in den Händen halten konnten – nur ganz kurz und mit vielen “Sicherheitsvorkehrungen”, aber da war sie: Unsere Jodie, unser erster eigener Hund, unser kleines Glück, das mit jedem Tag, der verging, immer größer wurde. Und nach drei Wochen erahnte man endlich, dass aus dem kleinen quiekenden Meerschweinchen ein richtiger Hund werden würde.

Wir haben Jodie jede Woche bei ihrer Züchterin besucht und mitverfolgt, wie ihre Augen sich öffneten, wie sie anfing wacklig auf ihren Läufen umherzutapsen. Wie sie sich mit ihren Geschwistern balgte. Als wir einmal bei einer Fütterung dabei waren, und unser Fellbündel mit beiden Pfoten im Napf stand statt wie alle anderen acht Welpen artig daneben und so zeigte, wer hier das Futter für sich beanspruchte, hätte uns schon klar sein müssen, dass sie der verfressenste Hund der Welt werden würde.

Jodie konnte nicht nur problemlos Essbares von jeder Anrichte klauen (und ja, auch unsere Küchentheke – die etwa 1,20 Meter hoch ist – war kein Hindernis), sie wusste sich auf einzigartige Art und Weise unsichtbar zu machen, wenn sie dadurch an etwas Leckeres kam. Auf diese Weise hat sie sich einen Neujahrs-Berliner einverleibt (niemand hat es gesehen – und wir standen zu sechst direkt daneben), einen dreiviertel Kirschkuchen, zahlreiche Brownies, Fleischwurst, und vieles mehr. Sie hatte eine unverständliche Vorliebe für Kerzen – ein Grund, warum wir zur Adventszeit immer Ersatz für den Kranz im Schrank hatten. Im Alter von vier Monaten hat sie ein Kirschkernkissen gefressen, was ihr eine nachhaltige Begegnung beim Tierarzt bescherte. Von der Masse Weintrauben, die sie sich mit drei Monaten einverleibt hat, als wir nur zwei Minuten den Raum verlassen hatten, fangen wir gar nicht erst an. Sie hat es geschafft ein halbes Kilo Hackfleisch in der Küche der Nachbarn zu fressen, während wir uns an der Haustür unterhielten. Zuletzt hat sie sich zwei Äpfel von der Theke gemopst – natürlich nachdem Frauchen noch angepriesen hatte, sie würde ganze Äpfel nicht anrühren, bevor sich nicht jemand erbarmt hatte sie aufzuschneiden.

Appotierchen: Stöcke holte sie gerne, noch lieber aber hatte Jodie Dummys. Die waren immerhin mit Essbarem gefüllt.

Es gibt viele Geschichten mit Jodie und Futter, über die viele Menschen sehr lachen können. Das konnte unser Burgfräulein sehr gut – Menschen zum Lachen und zum Lächeln bringen. Nicht nur uns, wenn sie den Kopf zwischen unserer Beine steckte und sich dort schwanzwedelnd die Ohren kraulen ließ, wenn sie sich auf dem Sofa so breit machte, dass wir uns eine Hälfte teilten und sie auf dem Rücken breit ausgestreckt die andere blockierte – schnarchend, versteht sich. Wenn sie wie eine Wilde angewackelt kam, sobald die Haustür aufging – oder sie wie eine Wilde in ihren fünf Minuten durch den gesamten Garten wetzte. Mit ihrem Lächeln, das sie stets auf den Lefzen hatte, war Jodie auch für vollkommen fremde Menschen ein kleiner Star. Wie oft mussten wir anhalten auf unseren Reisen und Fragen über sie beantworten. Und wie oft haben uns die Menschen gebeten, ein Foto von unserem Hund machen zu dürfen. 

Schnee liebte sie besonders - wenn es kalt wurde, blühte unsere Bernerdame noch einmal richtig auf.

Schnee liebte sie besonders – wenn es kalt wurde, blühte unsere Bernerdame noch einmal richtig auf.

Viele Menschen fragen uns nun, ob es einen Nachfolger geben wird. Die Antwort hat uns Jodie einfach gemacht. Denn einen so tollen Hund zu haben und so viele tolle Dinge gemeinsam erleben zu können, das macht ein Leben ohne Hund nahezu unmöglich. Jeder behauptet von sich gerne, er hätte den besten Hund der Welt. Aber wir sind uns sicher, dass Jodie genau das war: Der beste erste Hund der Welt. Sie hat viel Unsinn gemacht – natürlich, vor allem Welpen machen das. Aber es war okay, wenn sie Schuhe durch die Gegend geschleppt hat (nur um später darauf zu schlafen – es hat ihr den Spitznamen Pantoffeltierchen eingebracht), wenn sie Zeitungen zerfetzt hat, Fernbedienungen angekaut, Bettpfosten abgenagt oder Mülltüten ausgeräumt hat (nur um dann neben ihrem Werk zu sitzen und einen mit stolz geschwellter Brust anzulächeln). Wir haben nicht alles richtig gemacht in ihrer Erziehung – ganz bestimmt nicht, denn niemand ist fehlerfrei. Doch Jodie hat viele Fehler verziehen und ist trotzdem ein unglaublich folgsamer Hund geworden. Ein treuer Begleiter, auf den immer Verlass war. Es gibt tausend Gründe, die wir hier aufzählen könnten. Der wichtigste: Weil Jodie Jodie war. Und weil wir sie so wie sie war, furchtbar geliebt haben.

Gerade weil sie uns so wichtig war, brauchten wir aber etwas Zeit, etwas Abstand. Gerade auch mit ihrer Krankheitsgeschichte im Kopf. Denn zwei Monate bevor sie starb, war Jodie eigentlich noch kerngesund. Wir möchten an dieser Stelle ihrer Züchterin noch einmal herzlich danken. Leider ist nicht jeder Züchter so ehrlich im Umgang mit Krankheiten in seinen Würfen – und informiert Welpenkäufer so wie du. Ohne Jodies Züchterin hätten wir wohl wie viele Berner-Besitzer erst kurz vor dem Ende von Jodies Krankheit erfahren.

Unsere Rückbankbesetzerin hatte den fiesesten Mistkrebs, den sich das Leben für Hunde hat einfallen lassen. Das Histiozytäre Sarkom, auch Maligne Histiozytose genannt, ist eine sehr aggressive Krankheit. Meist wird sie erst bemerkt, wenn der Hund sich auffällig verhält – nicht mehr frisst, schlapp wird, hustet. Dann aber ist es meist schon zu spät.

Auch wir hätten bei Jodie wohl nie einen Ultraschall machen lassen, wenn ihre Züchterin uns nicht informiert hätte, dass bei Geschwistern Tumore an Leber und Milz aufgetreten sind. Und während beim ersten Ultraschalltermin noch nichts zu sehen war, haben wir beim zweiten einige Wochen später ihren Tumor an der Milz entdecken können – mittlerweile schon mehrere Zentimeter groß. Wahrscheinlich hätte uns da schon klar sein müssen, wie aggressiv der Krebs sich ausbreitet. Aber wir dachten zu diesem  Zeitpunkt noch nicht an das Schlimmste. Wir hatten gehofft, wir waren aufmerksam genug und könnten noch in eine lange gemeinsame Zukunft blicken.

Meer im Winter: Noch im Januar machten Jodie und Frauchen auf Rügen Urlaub.

Histiozytose ist nicht heilbar. Man kann den Krebs nur in Schach halten. Wir wollten es mit einer Chemotherapie probieren. So hatten wir gehofft wenigstens noch einige Wochen, vielleicht sogar ein paar Monate zusammen zu haben – um Jodie so noch einmal so viel schöne Zeit, so viele schöne Momente mit uns wie möglich schenken zu können. Es sollte nicht sein

Nur neun Tage nach der Diagnose Histiozytose haben wir die schwerste aller Entscheidungen getroffen. Vielleicht hätten wir noch ein oder zwei Tage gemeinsam haben können. Aber die Tierärzte machten uns klar, dass sie dann wahrscheinlich Schmerzen haben würde. Dass sie leiden würde. Und das wollen wir nicht. Am 7. September haben wir sie auf ihrem letzten Gang begleitet. 

Foto: Julia Poker Photography
Ein Bild aus glücklichen Tagen. (Foto: Julia Poker Photography)

Viele sagen, es ist ein Segen so entscheiden zu können. Dass es gut ist, einem Tier Leid ersparen zu können – anders als das beim Menschen möglich ist. Das ist sicherlich so. Doch in jenem Moment, indem man entscheiden muss, seinen besten Freund, ein geliebtes Familienmitglied, einen wichtigen Teil seines Lebens gehen zu lassen, ist das Gefühl ein anderes. Wenn der eigene Hund schnarchend vor einem liegt und man weinend den Kopf, die Pfoten, den Bauch, die Ohren seines geliebten Freundes streichelt, während der Tierarzt die letzte Spritze ansetzt, ist das Gefühl ein anderes. Es ist furchtbar. Es ist ein Moment, in dem drei Herzen brechen. Und auch wenn wir nicht daran zweifeln, dass es richtig ist, wie wir entschieden haben, ist das alles doch kein Trost.

Vier Monate. Das wirkt wie eine lange Zeit. Für uns ist es noch nicht genug Zeit. Der einzige Trost sind die Erinnerungen – all die wunderbaren Erinnerungen, die wir in sieben Jahren zusammen gesammelt haben. Wir glauben, dass Jodie in ihrem viel zu kurzen Hundeleben mehr erlebt hat, als manch ein Hund in 15 oder mehr Jahren.

Niedersachsen, Bremen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Würtemberg, NRW, Bayern, Saarland, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Dänemark, Niederlande, Norwegen, Frankreich, Tschechien, Österreich – überall dort sind wir mit Jodie gewesen, haben tolle Orte erkundet, tolle Menschen getroffen. Auf diesem Blog ist nur ein Bruchtteil von unseren Erlebnissen zu lesen.

Ein Bild von (fast) jedem Ort an dem wir mit Jodie waren. Über die Jahre sind einige zusammengekommen.

Wir hoffen, dass unser Schmusetier ein erfülltes Leben hatte und wir wissen, dass sie immer bei uns ist, immer mit uns mitfährt, wo auch immer Jodie jetzt ist. Dennoch fehlt sie uns noch immer sehr – und wird es wohl immer tun.

Gerade weil wir ein wenig Zeit brauchten, um den Abschied zu verarbeiten, ist es hier in letzter Zeit etwas ruhiger gewesen. Das ändert sich vielleicht im Frühjahr – mit einem neuen Hundeherz an unserer Seite und neuen hoffentlich Abenteuern. Weil ein Hund wie Jodie es verdient, dass jemand in ihre Pfotenabdrücke tritt. Auch wenn sie zu groß vorkommen, als dass sie irgendjemand ausfüllen könnte.

In Erinnerung an Jodie – 29. April 2011 bis 7. September 2018.