Wenn es über den Polarkreis hinaus geht, kennen die meisten Camper genau zwei Ziele: Die Lofoten und das Nordkap. Dazwischen gibt es aber noch so einige lohnenswerte Ecken abseits des Massentourismus. Und obwohl gerade Senja immer beliebter wird, ist die Insel derzeit doch noch ein kleiner Geheimtipp. Dabei zeigt sich gerade hier Norwegen in einer Nusschale – mit tollen Stränden, unglaublichen Bergen und wunderschönen Panoramen.

Anfahrt über die Vesterålen – aber bitte nur in der Saison

Zugegeben: Wir haben nur vier Nächte auf der Insel verbracht und das reicht keineswegs, um alle tollen Orte anzuschauen und alle Wanderungen zu machen, die es gibt. Unsere To-Do-Liste fürs nächste Mal ist jetzt schon ellenlang, aber ein paar Tipps können wir euch durchaus mit auf den Weg geben.

Zum Beispiel: Plant eure Anreise gründlich. Unser Plan war eigentlich Anfang September mit der Fähre von Andenes auf den Vesterålen nach Gryllefjord im Norden Senjas überzusetzen und uns damit einen großen Umweg über Land zu ersparen. Tja, leider haben wir die Rechnung ohne den Winterfahrplan gemacht. Bis 2020 war die Fährverbindung nämlich nur im Sommer unterwegs. 2021 hat man das probeweise geändert, in diesem Jahr scheint man zur ursprünglichen Vorgehensweise zurückgekehrt zu sein – der Fahrplan ist jedenfalls nur bis zum 4. September verfügbar.

Ceeley auf dem Sattel des Hesten - mit Blick auf den Segla.

Ceeley auf dem Sattel des Hesten – mit Blick auf den Segla, Senjas wohl markantesten Gipfel.

Wir mussten also wohl oder übel unseren Plan ändern und den Landweg nehmen. Dafür fährt man die E6 nach Norden und biegt dann bei Bardufoss auf die 86 ab. Über diese erreicht man dann erst die Inselhauptstadt Finnsnes und dann über eine lange Brücke die Insel Senja selbst.

Auf den Hesten oder: Nicht ganz hoch ist keine Schande

Weil supergutes Wetter angesagt war für unseren Anreisetag, haben wir gleich eine der aussichtsreichen Touren in Angriff genommen. Im Norden der Insel, im kleinen Ort Fjordgard, findet ihr die Startpunkte für gleich zwei sehr beliebte Wanderungen auf Senja.

Der Segla ist der wohl markanteste Gipfel der Insel, aber für diese Wanderung braucht man einiges an Kondition – und wir sind ja bekannterweise Flachlandkinder mit Mittelgebirgserfahrung. Wir haben also den Gipfel gewählt, der zwar nicht ganz so markant ist, aber dafür einen umso besseren Blick auf den Segla bietet.

Blick vom Hesten-Sattel auf den Segla.

Blick vom Hesten-Sattel auf den Segla.

Mit 520 zu bewältigenden Höhenmetern in gut 2 Kilometern Strecke ist aber auch der Hesten nicht zu unterschätzen. Der Parkplatz für den Aufstieg ist der gleiche wie für den Segla, dann müsst ihr noch einige Meter laufen, bevor ihr zum Startpunkt der Wanderung gelangt.

Nehmt ausreichend Wasser mit für den Weg, gerade im oberen Teil, den wir als sehr kräftezehrend empfunden haben, gibt es kaum Möglichkeiten für Hunde zu trinken.

Der Pfad ist gut sichtbar und war für Ceeley problemlos machbar, wir haben gut eineinhalb Stunden gebraucht, bis wir auf dem kleinen Sattel kurz unter dem eigentlich Gipfel angekommen waren. Eine genaue Beschreibung des Weges könnt ihr zum Beispiel bei Outdooractive finden.

Von der Wasserseite aus sieht man erst, wie steil die Kante von Hesten und Segla ist.

Von der Wasserseite aus sieht man erst, wie steil die Kante von Hesten und Segla ist.

Der Weg war für uns an dieser Stelle zu Ende. Das letzte Stück zum Gipfel führt über gröberes Gestein und erfordert ein bisschen Kletterei. Außerdem gibt es oben angelangt eine recht steile Abbruchkante. Mit beidem fühlten wir uns nicht so ganz sicher, sodass wir auf den fulminanten finalen Blick verzichtet haben. Das ist natürlich immer ein bisschen schwer, aber: Wir möchten alle gesund und munter nach Hause kommen und die Aussicht ist auch schon vom Sattel wirklich toll.

Als wir nach dem Abstieg die Straße am Mefjord entlang fuhren, haben wir im Sonnenuntergang einen Panoramablick auf die Bergkette von der anderen Seite bekommen und entschieden, dass wir alles richtig gemacht haben. Von hier aus sieht man nämlich erst, wie steil es eigentlich wirklich nach unten geht.

Polarlichter über dem Teufelskiefer

Nicht nur der Weg am Mefjord entlang, auch die weitere Strecke der 862 gehört zur nationalen Touristenroute Norwegens, die über Senja führt. Ein lohnenswerter Stopp liegt mit dem Ersfjordstrand etwas weiter südlich. Wir waren im September außerhalb der Saison da, sodass es super leer war. Schilder, die das Baden von Hunden am Strand verbieten, haben wir nicht entdecken können.

Noch ein paar Kilometer weiter findet ihr einen der schönsten und beliebstesten Aussichtspunkte der Insel, den ihr ohne Wanderanstrengung einfach anfahren könnt. Am Parkplatz Tungeneset, der “Zunge” führt eine schicke Holzkonstrukt hinunter zum Wasser und zum tollen Ausblick auf die markante Bergkette Devils Jaw, den Teufelskiefer.

Ceeley am Aussichtspunkt Tungeneset. Im Hintergrund: Der Teufelskiefer Devils Jaw.

Ceeley am Aussichtspunkt Tungeneset. Im Hintergrund: Der Teufelskiefer Devils Jaw.

Die Zähnchen des Kiefers sehen dabei auf den Fotos natürlich sehr viel kleiner aus, als sie eigentlich sind. Live vor Ort türmt sich direkt aus dem Meer nämlich eine sehr beeindruckende Bergkette auf. Das Beste am Aussichtspunkt: Man hat von hier einen ganz wunderbaren Ausblick nach Norden. 

Im September konnten wir so nicht nur einen unglaublichen Sonnenuntergang erleben. Wir haben kurzerhand beschlossen auf dem Parkplatz zu nächtigen und auf Polarlichter zu warten. Parkplatz-Übernachtungen sind sonst nicht so unseres – aber hier hat sich das definitiv gelohnt. Auch wenn wir wirklich lange warten mussten, bis es dunkel genug war und wir die ersten Schlieren am Nachthimmel erkennen konnten: Am Ende haben wir eine unglaublich schöne Polarlichtshow vor toller Kulisse erleben können. 

Polarlichter am Tungeneset

Polarlichter am Tungeneset

Polarlichter auf Senja.

Traumaussicht vom Husfjellet

Etwas bequemer übernachten kann man einige Kilometer weiter auf dem Campingplatz in Skaland. Der ist vor einiger Zeit neu gestaltet worden und Wäsche waschen und Co. sind inklusive – das ist ja eine kleine Seltenheit. Wir haben allerdings nicht dort übernachtet, allerdings nur, weil wir eine wirklich schöne wilde Alternative als Stellplatz hatten.

Noch ein Vorteil: Skaland ist der Ausgangspunkt für die Wanderung zum Husfjellet. Wenn ihr gerne wandert und einen wahnsinnig tollen Blick auf Senja von oben werfen wollt – das ist eure Tour!

Auf dem Sommerdalen habt ihr den halben Weg zum Gipfel des Husfjellet geschafft - und schon einen wahnsinnigen Ausblick auf die Umgebung.

Auf dem Sommerdalen habt ihr den halben Weg zum Gipfel des Husfjellet geschafft – und schon einen wahnsinnigen Ausblick auf die Umgebung.

Es ist allerdings wie fast überall in Norwegen: Die Aussicht gibt es nicht umsonst. Gut 600 Höhenmeter müsst ihr überwinden, bevor ihr am Gipfel ankommt. Insgesamt dauert das alles etwa 3 bis 4 Stunden, je nachdem wie schnell ihr seid und wie viele Pausen ihr einlegt. Startpunkt ist ein Parkplatz gegenüber dem Supermarkt in Skaland.

Das Ganze startet dann relativ sanft, anstregend wird es das erste Mal, wenn ihr ein kleines Wäldchen überwinden müsst. Gefühlt geht es darum, höher zu klettern als die Birkenbäume hoch sind. Das ist schweißtreibend und nach Regen etwas rutschig. Ihr solltet – ebenfalls wie fast überall in Nowegen – gutes Schuhwerk tragen. Für Hundepfoten ist das unproblematisch. Wir waren Ceeley nur mal wieder zu langsam.

Auf dem Rückweg ist sogar Ceeley platt.

Pause auf dem Sommerdalen: Auf dem Rückweg ist sogar Ceeley platt. 

Wenn ihr den Wald überwunden habt, habt ihr fast die Hälfte der Höhenmeter geschafft. Auf dem Zwischengipfel Sommerdalen habt ihr schon einen wunderbaren Ausblick auf die Bergsøyan-Inselgruppe.

Danach kann es unter Umständen etwas matschig werden. Bei uns hatte es am Vortag geregnet und wir waren trotz Holzplanken, die für die Wanderung ausgelegt sind, um den moorigen Teil zu überwinden, froh, dass wir wasserfeste Schuhe hatten. Bernerpfoten sind zum Glück selbstreinigend 😉

Gutes Schuhwerk ist ein Muss - vor allem, wenn es kurz vorher geregnet hat.

Gutes Schuhwerk ist ein Muss – vor allem, wenn es kurz vorher geregnet hat.

Ein Bonuspunkt der Wanderung: Man muss niemals wirklich nah an irgendeinem Abhang entlang gehen. Zu jeglichen Kanten kann man guten Abstand halten. Das gilt auch für den Gipfel. Wenn ihr die 600 Höhenmeter geschafft habt, könnt ihr entweder direkt am Gipfelfähnchen bleiben oder auf einen der vielen kleinen Einzelgipfel, aus denen der Berg besteht weitergehen – dorthin führen jeweils kleinere ausgetretene Pfade.

Einen tollen Panorama-Blick hat man auch ohne das, auf die Gipfel des Teufelskiefer bekommt man aber eine bessere Sicht, wenn man etwas weiter auf dem Gipfelgrat entlanggeht.

Gipfelpanorama: Ceeley auf dem Husfjellet. Bild 2: Schon vom Sattelpunkt ist der Ausblick wirklich atemberaubend.

Gipfelpanorama: Ceeley auf dem Husfjellet.

Zurück geht es dann auf dem selben Weg. Am Auto war für uns dann erstmal Dreck von den Schuhen duschen angesagt. Wenn ihr nach der Kletterpartie noch Elan zum Weiterfahren habt, findet ihr nur wenige Kilometer südlich die 862 entlang den wohl bekanntesten Aussichtspunkt auf Senja, an dem ihr einfach nur mit dem Auto ranfahren müsst.

Der Bergsbotn-Aussichtspunkt ist eine dieser verrückten Architekten-Aussichtsplattformen. Die Norweger stehen darauf,  man findet sie überall im Land. Hier gibt es im Aussichtssteg eine kleine Welle. Und der Blick in die Bucht ist ein Traum.

Einsamkeit im Ånderdalen Nationalpark

Übernachtet haben wir schließlich noch einige Kilometer weiter südlich mit fantastischem Ausblick und umgeben von den schönsten Farben des Sonnenuntergangs am Rande des Ånderdalen Nationalparks. Es ist der einzige auf Senja und er umfasst gut 125 km² und wurde 1970 gegründet, um die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt zu bewahren. Besonderes Highlight sind wohl bis zu 500 Jahre alte Küstenkiefern, die wir leider nicht gesehen haben. Das Ganze ist schon im Vorbeifahren wunderschön. Ein Lokalhistoriker hat es etwas blumig 1972 in einem Jahrbuch-Artikel so beschrieben:

Senja im Landesinneren: Täler mit Flüssen und Seen, Moor- und Erdebenen, Pinien- und Laubwälder. Ein Idyll innerhalb der schützenden Berge gegen das Meer und die Mächte im Westen und Norden. Und Bauernhöfe entlang der Strände, Weiler im Waldland

Da uns das Wetter am nächsten Morgen nicht so hold war, mussten wir auch aufs Wandern verzichten, es gibt aber so einige Wege, die man hier gehen kann. Ganz in der Nähe unserer Übernachtungsplatzes – irgendwo am Rande einer Seitenstraße im Kaperdalen, umgeben von Bergen im Nirgendwo – ohne Handyempfang und Gesellschaft – kann man etwa auf den Første Svanfjell aufsteigen. Die Route ist mit etwa 800 Höhenmeter und 4 bis 5 Stunden Gehzeit angegeben – und von oben soll man eine fantastische Aussicht haben. Das Besondere: In den 1960ern ist hier ein amerikanisches Flugzeug abgestürzt. Einige Wrackteile kann man noch immer am Hang entdecken.

Sonnenuntergang at its best im Ånderdalen Nationalpark,

Sonnenuntergang at its best im Ånderdalen Nationalpark.

Eher im südlichen Bereich den Nationalparks bietet sich die Route zum Åndervatnet an, einem See mittem im Schutzgebiet. Der Weg startet an der Südküste Senjas und ist gut 12 Kilometer lang, dafür aber überschaubar schwierig: Es sind nur 200 Höhenmeter zu überwinden. Bitte denkt an wasserfestes Schuhwerk, es kann durchaus matschig werden.

Zurück in eine andere Zeit: Das Skrolsvik Fort

In dieser Ecke – am südwestlichen Zipfel der Insel – gibt es außerdem noch eine weitere, nicht so super bekannte Sehenswürdigkeit Senjas. Beim Skrolsvik Fort handelt es sich um eine alte Küsten-Bunkeranlage, die im Zweiten Weltkrieg genutzt wurde. Es gibt sogar ein altes Schiff zu sehen, das an der Küste liegt, dazu einige Festungsanlagen. Das Ganze verteilt sich, in einige Bunker kann man auch rein, wenn das möchte.

Zu sehen ist unter der Erde sogar noch einiges, hier ist viel zurückgelassen worden. Wenn ihr die Anlage ausgiebig erkunden wollt, solltet ihr etwas Zeit mitbringen – und eine Taschenlampe. Wem das wie Bine zu gruselig ist in sowas rumzukrauchen, kann an der Küste entlangewandern. Hier gibt es einen kleinen Wanderpfad. Ist vielleicht für den ein oder anderen Hund auch angenehmer als die dunkklen Bunker. Viele Bilder und einen ausführlichen Bericht über die ganze Anlage und was sie so zu Entdecken bietet, findet ihr hier – allerdings auf Norwegisch. Der Google-Übersetzer ist mittlerweile aber ziemlich gut, also keine Sorge.

Kann man spannend finden - oder gruselig: Die Bunkeranlagen auf Senja.

Kann man spannend finden – oder gruselig: Die Bunkeranlagen auf Senja.

Das alte Schiff in der Bucht bei Skrolsvik auf Senja.
Blick aus dem Bunker aufs Meer.
Nur ein ganz bisschen gruselig: In einem der alten Bunker in Skrolsvika auf Senja.
Platz nehmen bitte? So sieht es in den Bunkern auf Senja aus.

Noch mehr zu Senja…

…findet ihr eigentlich überall. Weitere Wanderungen etwa, die auf unserer persönlichen Liste stehen, führen auf den Barden und den Sukkertoppen. Ebenfalls nicht mehr drin war ein Besuch auf Husøy. In der Nähe dort fährt eigentlich eine Fähre Richtung Tromsøya – allerdings sind die Senja-Fähren ja Sommerfähren, es gab also keine mehr für uns Anfang September. Die kleine vorgelagerte Insel sieht aber zumindest auf Bildern super süß aus.

Das Café, in dem man offenbar bis vor ein paar Jahren noch das “Turbok for  Senja og Midt-Troms” kaufen konnte, gibt es zwar leider nicht mehr. Das dicke Buch mit ganz lokalen Wanderempfehlungen könnt ihr aber an anderen Orten erwerben. Zugegeben, das kostet etwas (in diesem Fall rund 40 Euro, das war Bines Urlaubsandenken. Proudly erfragt und gekauft auf Norwegisch!). Aber Norwegen Pro-Tipp: Diese lokalen Wanderführer kann man in Deutschland selten finden – und sie bieten doch immer noch mal die eine oder andere geheime Wanderperle, die man sonst in keinem Reiseführer sieht.

Am Husfjellet kann man nie genug Panorama-Bilder machen.

Lust auf mehr Norwegen? Wir waren nicht nur auf Senja. Schau dir doch gerne auch unsere Blogbeiträge über die Lofoten, Væerøy oder unsere Elterzeitreise ans Nordkap an. Mehr Infos, Bilder und Videos von unseren Norwegen-Reisen kannst du auch bei Instagram in den Story-Highlights entdecken. Noch Fragen? Dann schreib uns gern bei Facebook oder Instagram – oder hier in die Kommentare.